20 Jahre gibt Rieker in Halle den Ton an
von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle. (WB) Die drohenden Worte des Kirchmeisters hat Martin Rieker bis heute nicht vergessen. „Wenn Sie keine fünf Jahre hier bleiben, kriegen Sie Ärger mit mir!“, hatte Dr. Helmut Reinhardt gesagt. Furchtsam ist Halles Kirchenmusikdirektor nicht gerade, aber geblieben ist er dennoch: Morgen ist er 20 Jahre in der Lindenstadt.
Eine Zeit, in der er als Halles Kantor und künstlerischer Leiter der Bach-Tage auf der Klaviatur des Erfolges ganz eigene Tasten angeschlagen hat. Denn als der damals 35-Jährige frisch aus dem ersten Wiener Gemeindebezirk an den Teutoburger Wald kam, war es ausschließlich die Schloemann-Stelle, die ihn in Halle reizte: „Sonst hätte ich mich nie beworben“. Dabei hatte Burghard Schloemann, Gründer der Bach-Tage und viel beachteter Komponist, nach seinem Abschied in Halle eine große Lücke hinterlassen.
Vier Kantoren und ein Interims-Bachtage-Leiter hatten sich in der ehrwürdigen Johanniskirche die Klinke in die Hand gegeben. Es gab eine renovierungsbedürftige Orgel und eine abbruchreife Friedhofskapelle. In den Chören stimmte mancher Ton nicht mehr so recht. Martin Rieker: „Die Stelle verlangte eine Generalsichtung“. Er ging an die Arbeit – und ließ sich zum Beispiel die Musikfreizeiten auf Finstergrün und Zwettl in die Dienstanweisung schreiben. Das Musikschul-Schiff machte er gemeinsam mit seiner Frau Irmi wieder flott, die in Halle eigene Akzente setzte. In die neue Friedhofskapelle kam ein ordentliches Instrument. Und in St. Johannis spielt schon seit Jahren die große Heintz-Orgel zur Ehre Gottes.Die Bach-Tage stehen schon seit Schloemanns Zeiten auf festen Säulen: Sie stellen den Musikfreunden der Region Johann Sebastian Bach, seine Vorgänger, Zeitgenossen und Nachfahren vor und zwar auf einem viel bewunderten Niveau. Rieker, der seit 1997 den Titel eines Kirchenmusikdirektors trägt, holt gern einmal Solisten mit großem Namen nach Halle. Aber immer mit von der Partie ist der ausgezeichnet geschulte Bach-Chor, der inzwischen auch in Bielefeld große Aufmerksamkeit bekommt.
Der gebürtige Heilbronner geht nicht einfach Künstler „einkaufen“, holt seit 1989 regelmäßig Wiener Künstler wie Klara Flieder in die Lindenstadt. „In Halle hat Musik immer ganz viel mit dem persönlichen Miteinander zu tun“, vertraut er lieber auf die Kantorei-Schule. Dass die Liebe zur Musik dort bestens gedeiht und Qualität gelehrt wird, beweist die Berufswahl so einiger junge Haller: darunter David Marlow, der inzwischen Kapellmeister in Chemnitz ist.
Gemäß Riekers Credo „Jeder kann und soll singen“ hat er die Singgemeinde aus der Taufe gehoben. In dieser haben auch frühere Mitglieder des katholischen Palestrina-Chores eine neue musikalische Heimat gefunden. Das Mozartfest einst, heute der Musikalische Herbst lassen es im Haller Herzen klingen.Bei allem Erfolg – Martin Rieker geht es um ein künstlerisches Erleben mit allen Sinnen. Alte und moderne klassische Kunst, die in die Liturgie hineinreicht, sind ihm wichtig. Akustische und optische Ausstrahlung gehören für ihn oft zusammen bei Projekten, die geprägt sind von einem ganzheitlichen Charakter. „Wo das gelingt, wird der Raum zum heiligen Raum“. Und in dem darf sogar getanzt werden wie kürzlich erst bei einem bemerkenswerten Tanzprojekt mit Haller Jugendlichen.
Apropos heiliger Raum: In dem ist der Kirchenmusiker und Vater von drei Kindern fest verwurzelt. Und hält dabei fest an einer klassischen musikalischen Qualität. “Ich verabscheue jede Form von billiger Trendsetterei“, erteilt er allzu einfachem Pop, Gospel, Swing in der Kirche eine klare Absage. Selbst wenn das vielleicht noch häufiger die Kirche füllen würde.Qualität ist oder ist nicht – dazu steht Rieker. Für große Oratorien wie Händels „Messias“ wie bei seinen ersten Bach-Tagen, Monteverdis „Marienvesper“ oder demnächst wieder beim „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy lädt er oft bekannte Künstler ein wie vor Jahren schon Thomas Quasthoff. Wenn der Kirchenmusikdirektor einen Sänger, mit dem er gern zusammengearbeitet hat, gern noch einmal verpflichten würde, dann den Bass Bariton von Weltruf. Auch wenn Kunst kostet.
Westfalen-Blatt 04.01.2008
Kulturstern strahlt für Martin Rieker
von Herbert Gontek
Halle (hego). "Kantoren sind in den ländlichen Bereichen oft bedeutende Musikschaffende. Sie sind ein solches Aushängeschild, das Laien und Profis zu Höchstleistungen zusammenführt und es in diesem Jahr bei den laufenden Haller Bach-Tagen wieder unter Beweis stellen", so würdigte unter anderem Dr. Manfred Strecker, Kulturchef in der Mantelredaktion dieser Zeitung das Wirken des Haller Kirchenmusikdirektors. Am Montagabend wurde Martin Rieker zusammen mit elf weiteren Kulturschaffenden aus dem Regierungsbezirk Detmold geehrt, die die nachhaltige Förderung der Kultur in der Region auf ihre Fahnen geschrieben haben und sich dafür seit Jahren engagieren. Weitere Einzelheiten von dieser Veranstaltung in der Bielefelder Hechelei lesen Sie bitte auf der Sonderseite im Kulturteil dieser Ausgabe.
Haller Kreisblatt 06.02.2008